Nach unserer Tour über den Vildmarksvägen sind wir mit einem kurzen Übernachtungsstopp zur Ostsee gedüst. Und diese Küste ist anders. Warum? Das Meer ist nicht salzig. Im nördlichsten Teil der Ostsee dem Bottnischen Meerbusen gibt es sogar Süßwasserfische wie Barsch und Hecht. Es gibt keine großen Hafenstädte, weil das Meer sowieso die meiste Zeit im Jahr zugefroren ist und man dann lieber mit dem Auto über die Eisfläche der Ostsee nach Finnland düst. Die alten Hafenstädte liegen nicht mehr am Meer, weil sich das Land jedes Jahr um 1cm hebt und eine 700 Jahre alte Hafenstadt dann eben bereits 7 Meter höher als der Meeresspiegel liegt.
Aber das Alles haben wir uns ganz in Ruhe angeschaut. Erstmal gab es in Umeå ein leckeres Eis. Die Stadt hat uns sehr gut gefallen. Sie wirkt einerseits sehr modern mit ihrem futuristischen Neubau der Bibliothek, hat aber gleichzeitig auch einen nostalgischen Charme mit den vielen Birkenalleen und den Holzhäusern.
Und dann musste ich mir einfach mal in einen dieser „Coffeeshops für alkoholische Getränke“ anschauen. Das hat schon was merkwürdiges, wenn man für eine Flasche Wein, Sekt oder für Spirituosen in einen staatlichen Laden gehen muss. Bier bis 3,5% Alkoholgehalt gibt es übrigens in jedem Supermarkt und wenn man den Schwedenurlaub nicht mit dem Oktoberfest verwechselt, merkt man das auch nicht unbedingt im Portemonnaie. Es gibt aber auch eine große Auswahl an 0,5% oder 2,5%igem Bier. Das ist weniger besteuert und damit viel günstiger und tatsächlich auch sehr lecker. Kein Vergleich zu dem alkoholfreien Bier das ich in Deutschland bisher probiert habe.
Im Laden habe ich dann aber erstmal begriffen was es bedeutet, wenn man das Weinangebot aus allen Ländern der Welt in einem relativ kleinen Geschäft zusammenfassen will. Das Regal für deutschen Wein hält vielleicht 10-15 Sorten bereit. Und vom netten Verkäufer wurde mir gesagt, dass die Weine in allen Läden Schwedens identisch sind. Überall in Schweden kann man also nur aus diesem wirklich kleinen Sortiment wählen. Einen „Nullachtfünfzehn“ Riesling aus der Pfalz gab es für 10,-€ die Flasche. Online kann man bei Systembolaget übrigens auch einkaufen und hat dann eine deutlich größere Auswahl. Alles ein bisschen merkwürdig, aber Fakt ist auch, dass in Schweden weniger Menschen am Alkoholkonsum sterben. Im Durchschnitt sind 5,5% aller Todesfälle in Europa auf Alkohol zurückzuführen. In Deutschland leicht unter dem Durchschnitt mit 5,2% und in Schweden bei nur 3,6%. (https://www.euro.who.int/…/2019/alcohol-country-fact-sheets-2019) Ich wünsche mir keine Systembolaget-Läden in Deutschland, aber rein theoretisch könnte man mit der restriktiven Alkoholpolitik von Schweden in Deutschland jedes Jahr, ganz über den Daumen gepeilt, ca. 15.000 Menschen vor dem alkoholbedingten Tod retten. Aber Prioritäten werden ja immer und überall auch unterschiedlich gesetzt.
Mit diesen neuen Erkenntnissen im Gepäck ging es dann aber erstmal zum Baden. Zwischen Umeå und Piteå haben wir eine tolle Bucht gefunden. Die Natur war noch vollkommen unverbaut und wir konnten hier bei schönem Wetter einfach mal zwei schöne Strandtage einlegen. Eine andere junge Familie mit drei Kindern im Gepäck aus der Pfalz (passend zum Systembolaget-Wein) waren mit uns dort und die Kinder hatten mal wieder nach langer Zeit ein paar deutschsprachige Spielkameraden.
Danach sind wir weiter nach Piteå, wo wir in erster Linie unsere Gasflaschen auffüllen wollten. An einer richtigen Tankstelle mit LPG-Zapfsäule konnten wir die Tankflasche volltanken und die andere Flasche wurde uns im Industriegebiet bei einem Gashändler fachmännisch gefüllt. Das kostete natürlich etwas Zeit, sodass wir dann auch nicht mehr ganz so viel Zeit hatten und uns nur noch die „Konsthall“ anschauten, in der von Künstlern aus der Region ein ziemliches Durcheinander an unterschiedlichsten Werken präsentiert wurde. Es handelte sich dabei um einen Kunst-Wettbewerb bei der Profis sowie Hobby-Künstler ihre Werke einsenden durften. Von hunderten Einsendungen haben es dann aber nur noch 65 in die Ausstellung geschafft. Ganz witzig zu sehen mit welchen Themen sich die Künstler auseinandersetzen. Ein Hecht ist natürlich dabei!
Am Abend sind wir dann noch ein Stück weiter in Richtung Luleå und haben dort einen schönen Platz in einem am Meer gelegenen Waldstück gefunden. Am nächsten Tag war dann Midsommar und einige Schweden sind auch an diese Stelle zum Sonnenbaden mit der Familie gekommen. Nur richtiges schwimmen im Meer war hier nicht so richtig möglich, denn das Wasser wurde einfach nicht tief. Man musste 200 Meter gehen bis einem das Wasser überhaupt mal über die Knie ging. Wir sind dann einfach ein bisschen durch das Wasser gewatet und am Nachmittag nach Gammelstad gefahren.
Gammelstad ist das alte Zentrum von Luleå und hat mit „Gammel“ nichts zu tun. Es handelt sich um eine ehemalige „Kyrkstad“, in der einfache Holzhäuser um die Kirche herum erbaut wurden und es den Landbewohnern ermöglichte zu Gottesdiensten oder anderen Feierlichkeiten nach einer langen Anreise zu übernachten. Früher waren Kirchgemeinden in Mittel- und Nordschweden recht groß und die Wege dementsprechend lang. Heute werden die alten Häuser, die immer noch keine Strom- oder Wasseranschlüsse besitzen, wie in einem Schrebergarten als Wochenendhäuser bewohnt und von den Eigentümern gepflegt. Ein Unesco-Weltkulturerbe, welches sozusagen von der ganz normalen Bevölkerung in Schuss gehalten wird. Es erinnerte uns an die Werkstätten Hellerau bei Dresden. Bei unserem Besuch konnten wir einige Feiern zum Midsommar im kleinen Kreis beobachten.
Eigentlich feiern die Bewohner von Luleå ihren Midsommar im nahegelegenen Freilichtmuseum. Es ist dort angesiedelt, wo früher der Hafen der Altstadt war. Normalerweise wären hier an Middsommar ca. 7.000 Leute. Jetzt waren es nur ein paar wenige, die sich auch gut über die Anlage verteilten. Die alten Holzhäuser wurden auch zum Leben erweckt und ein paar junge Leute spielten in Verkleidung das historische Leben der Siedler nach. Das erinnerte uns irgendwie an Mittelalter-Feste in Deutschland.
Damit war unser Midsommar in Schweden auch ohne große Party ein toller Tag. Aber dann kam die fixe Idee einfach noch bis zum Polarkreis zu fahren, um an Midsommar dort die Mitternachtssonne anzuschauen. Die Wetterprognose war gut, sodass wir dann auch einfach gestartet sind. Die Kinder schlüpften in Ihre Schlafanzüge und wir sind dann mit nur einem kurzen Abendbrot-Stopp noch zum Polarkreis gefahren. Am Infopunkt wurde uns dann klar, dass man natürlich irgendwie auf einen Berg muss, um die Sonne nicht zwischen den Bäumen verschwinden zu sehen, sondern bis zum Horizont schauen zu können.
Ganz in der Nähe fanden wir eine Möglichkeit und hatten einen schönen Blick. Auf Fotos lässt sich natürlich nicht wirklich festhalten wie merkwürdig es ist, wenn die Sonne fast untergeht um dann direkt wieder aufzugehen. Das Foto hält ungefähr den tiefsten Punkt fest. Danach war dann Sonnenaufgang angesagt und der nächste Tag begann für uns mit ins Bett gehen.
Fotos vom großen Eis in Umeå und vom Sandburgenbauen am Strand gibt es hier.