Schade!

Eigentlich wollten wir heute in Barcelona ankommen und unsere Umrundung der iberischen Halbinsel so richtig starten. Aber was für ein Mist! Da planen wir monatelang eine lange Reise, legen Geld auf Seite, nehmen unbezahlte Elternzeit, wälzen Reiseführer und scrollen sehnsüchtig durch die digitale Google Maps Welt. Und dann kommt uns dieses bescheuerte Virus in die Quere.

Unsere Reise ist in der geplanten Form nun definitiv gestorben und die einmalige Chance mit unseren Kindern vor der Schulpflicht für 5 Monate zu verreisen ist dahin.

Natürlich sind das völlige Luxusprobleme und der ein oder andere wird sich vielleicht denken, dass wir im Hinblick auf die vielen an Covid-19 Verstorbenen unser persönliches Problem zurückstellen sollten. Nun ist es aber so, dass wir alle als völlig zufällig privilegierte Menschen aus der „ersten Welt“ seit Jahrzehnten Urlaubsreisen unternehmen und uns jeden Tag ausschließlich mit Luxusproblemen herumschlagen, währenddessen es so viel Leid und Elend auf der Erde gibt. Jedes Jahr sterben Hunderttausende Menschen auf Grund von vermeidbaren Umständen. Und trotz Verkehrsunfällen, sexueller Gewalt, Kriegen und Epidemien wie Malaria und Ebola, verreisen wir und beschäftigen uns trotzdem jeden Tag mit Luxusproblemen, die es eigentlich gar nicht gibt.

Ich bin also der Meinung, dass wir sehr wohl ganz schön ärgerlich darüber sein dürfen, dass diese lange geplante Reise nicht stattfinden kann und uns diese einmalige Chance genommen wurde. Trotz der Covid-19 Verstorbenen dürfen wir also auch über unsere persönliche Situation traurig sein.

Selbstverständlich sind wir aber auch für Maßnahmen, die die Pandemie einbremsen. Großveranstaltungen gehören abgesagt, Discotheken geschlossen und auch die Kultureinrichtungen, wie Theater, Opernhäuser und Kinos sollten für eine Weile geschlossen bleiben. Und ja, auch Urlaubsreisen gehören definitiv zu den Dingen, auf die wir alle jetzt erstmal verzichten können.

Andererseits bin ich der Auffassung, dass alle Einschränkungen in einem Verhältnis zum derzeitigen Ereignis stehen müssen. Ich bin ein wenig fassungslos, wie wenig in den letzten Wochen hinterfragt wurde, ob die ergriffenen Maßnahmen wirklich verhältnismäßig sind. Und hierbei möchte ich zunächst gar kein Ergebnis vorweg nehmen. Ich erwarte nur eine demokratische Debatte über diese Maßnahmen.

Nur um ein paar Zahlen zu nennen: Im Jahr 2017 gab es in Europa 25.300 Verkehrstote. Jedes Jahr werden in Europa mindestens 3.000 Frauen von Ihren Partnern oder der Familie getötet. Das sind in den letzten 20 Jahren mind. 60.000 Morde an Frauen in Europa. 2 Millionen Frauen werden jedes Jahr auf der ganzen Welt sinnlos ermordet. Einem zu hohen Alkoholkonsum werden von der WHO 3 Millionen jährliche Tote auf der Welt zugeschrieben. An den Folgen des Rauchens sterben alleine in Deutschland ungefähr 130.000 Menschen jährlich. 8 Millionen Tote auf der Welt wegen des Rauchens. Jährlich!

Meine Quellen:
https://www.europarl.europa.eu/news/de/headlines/society/20190410STO36615/verkehrsunfallstatistiken-in-der-eu-infografik
https://www.deutschlandfunk.de/frauenmorde-in-europa-wenn-das-geschlecht-gefahr-bedeutet.922.de.html?dram:article_id=467196
https://www.deutschlandfunkkultur.de/geschlechtermord-zwei-millionen-tote-frauen-pro-jahr.954.de.html?dram:article_id=282216
https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/98062/Drei-Millionen-Todesfaelle-jaehrlich-durch-Alkohol
https://www.tagesschau.de/ausland/rauchen-tod-who-101.html

Es ist nicht in meinem Sinn, diese vielen Tote gegeneinander aufzuwiegen. Das verbietet sich. Aber klar muss doch sein, dass wir eigentlich gegen jeden vermeidbaren Todesfall auf der Welt etwas tun sollten. Warum tun wir plötzlich so viel gegen Covid-19 und haben bisher so verhältnismäßig wenig für anderes getan? Warum werden unsere Ressourcen für dieses eine Problem aufgewendet, wobei es so viel anderes Leid schon lange auf der Welt und auch in Deutschland gab und weiterhin geben wird?

Genug zu diesem Thema. Wir hoffen, dass sich die Lage und der Umgang mit dem Virus etwas normalisiert und wir unter Beachtung von sinnvollen präventiven Maßnahmen gegen die Verbreitung des Virus trotzdem im Juni, Juli und August die eine oder andere Tour durch Deutschland machen können. Bis zu diesem Punkt werden wir einfach das „Umfeld unseres Wohnbereiches“ (wie es so schön und er sächsischen Allgemeinverfügung heißt) kennenlernen und unseren Garten genießen.
…wie gesagt, Luxusprobleme.

Bleibt gesund!

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